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DFB-Team | Stefan Effenberg: "Torhüterfrage ist komplett offen"


Nach Nominierung des DFB-Kaders
Das ist für mich persönlich schwer zu verstehen

MeinungEine Kolumne von Stefan Effenberg

Aktualisiert am 15.03.2024Lesedauer: 5 Min.
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Julian Nagelsmann: Der Bundestrainer baut die Nationalmannschaft um.Vergrößern des Bildes
Julian Nagelsmann: Der Bundestrainer baut die Nationalmannschaft um. (Quelle: Frank Hoermann / SVEN SIMON/imago-images-bilder)

Stefan Effenberg analysiert in seiner neuen t-online-Kolumne die DFB-Kadernominierung. Er wirft dabei eine brisante Frage auf.

Bundestrainer Julian Nagelsmann hat seinen Kader für die Generalprobe für die Heim-EM bekannt gegeben. Damit liegen die Karten jetzt endgültig auf dem Tisch. Riesengroße Überraschungen waren da für mich allerdings keine mehr dabei. Die Entwicklungen hatten sich in den vergangenen Tagen und Wochen schließlich bereits angedeutet.

Das gilt für die Nominierungen der Rückkehrer Manuel Neuer und Toni Kroos genauso wie für die Neulinge Waldemar Anton, Maximilian Mittelstädt und Deniz Undav vom VfB Stuttgart und Aleksandar Pavlović vom FC Bayern. Auch, dass Jan-Niklas Beste von Aufsteiger Heidenheim sowie der Hoffenheimer Maximilian Beier dabei sein würden, hatte sich bereits abgezeichnet, weil alle Genannten konstant sehr gute Leistungen gebracht haben.

Nagelsmann wollte seinen Kader ausdrücklich nach dem Leistungsprinzip zusammenstellen und hat das mit minimalen Abweichungen auch eingehalten. Der Fall Leon Goretzka ist für mich aber einer, bei dem das Leistungsprinzip nicht ganz greift. Er hatte sein Tief beim FC Bayern. Da ist er aber gut rausgekommen, seit Wochen wieder sehr stabil und bei Bayern im Zentrum gesetzt. Dann ist die Entscheidung, ihn nicht zu berücksichtigen, schwer nachvollziehbar. Zumal er viel Erfahrung, schon einige Turniere gespielt und auch schon große Titel gewonnen hat. Deshalb ist das schwer zu verstehen. In erster Linie für den Spieler selbst, aber auch für mich persönlich.

Goretzka und Hummels sind Nagelsmanns Joker

Leon muss jetzt alles dafür tun, weiter seine Leistung bringen, um am Ende vielleicht doch noch auf den EM-Zug aufzuspringen. Auch Mats Hummels fehlt im Kader. Er hat zuletzt bei Borussia Dortmund in der Bundesliga nicht so viel Spielzeit bekommen. Beim 2:0-Sieg im Viertelfinalrückspiel der Champions League gegen Eindhoven hat er aber eindrucksvoll bewiesen, dass er sehr wohl weiterhin wichtig ist, eine Mannschaft zusammenhalten kann, und ein Führungsspieler ist.

Ich glaube aber, dass die Enttäuschung bei Goretzka noch mal etwas größer ist. Aber es sind bis zur EM noch ein paar Spiele zu spielen und ein paar Wochen zu gehen. Für Nagelsmann ist es etwas Schönes und gut zu wissen, dass er zwei solche Spieler noch in der Hinterhand hat. Wenn jemand abfällt, in ein Leistungstief gerät, dann kann er sofort auf sie zurückgreifen.

Bei Pavlović gehen die Meinungen etwas auseinander, ob es richtig ist, den 19-Jährigen nach insgesamt gerade einmal 14 Profi-Pflichtspielen schon zu nominieren. Ich halte es trotzdem für richtig. Auch, um damit nach vorne und in die Zukunft zu schauen und den Abwerbeversuchen von Serbien um ihn einen Riegel vorzuschieben. Damit er in Zukunft für Deutschland spielt.

Ich glaube also schon, dass es sehr wohl ein bisschen eine politische Entscheidung ist. Wenn ein solcher Spieler zwei Staatsangehörigkeiten besitzt, musst du ihn als Verband nominieren. Und sein Herz hat für die deutsche Nationalmannschaft mitentschieden. Er kann vielleicht noch sechs, sieben, acht Turniere in Zukunft spielen. Die 17 Pflichtspiele hat er ja auch nicht für irgendeinen Klub gemacht, sondern sich beim FC Bayern durchgesetzt. Das ist schon noch mal eine andere Geschichte.

In der jüngeren Vergangenheit hatten wir mit Niclas Füllkrug nur einen Neuner. Jetzt wurde die Stürmerposition aber mit guter Qualität aufgefüllt: mit Undav und Beier. Und ich bin auch sehr froh darüber, dass Havertz wieder im Angriff aufgeführt wird – und nicht in der Abwehr oder im Mittelfeld.

Der Kader gibt die klare Richtung vor. Es wird aber mit Sicherheit auch noch ein paar Veränderungen im endgültigen EM-Aufgebot geben. Möglicherweise durch Verletzung oder durch Spieler, die sich noch mal ins Rampenlicht spielen.

Das Torhüterduell ist komplett offen

Die Torhüterfrage ist nach der Rückkehr von Neuer jetzt brisant. Wie löst Nagelsmann das mit ihm und Marc-André ter Stegen? Ich kann mir vorstellen, dass jeder jeweils eins der beiden Testspiele gegen Frankreich und die Niederlande bekommen wird. Dann wird er die Entwicklung bis zur EM weiter beobachten, wie stabil und leistungsstark wer dann Richtung EM geht. Und erst dann eine endgültige Entscheidung treffen. Es wird sehr spannend, wie die beiden die dann jeweils annehmen werden.

Für mich ist dieses Torhüterduell momentan komplett offen. Beide sind herausragende Torhüter. Das ist unser großes Plus, dass wir auf dieser Position überhaupt keine Probleme haben.

Für Kevin Trapp ist es mit Sicherheit eine große persönliche Enttäuschung, nicht dabei zu sein. Aber das ist der Sport. Wenn du den vollen Kader zur Verfügung hast, wird es da immer Härtefälle geben. Es ist gut so, dass auf jeder Position so ein bisschen Druck drauf ist. Auch im Mittelfeld hat Nagelsmann ein großes Angebot und die Qual der Wahl. Es zu schaffen, alle anderen, die nicht spielen, ruhig zu halten, ist eine seiner größten Herausforderungen.

Wow, das ist absolute Topqualität

Wenn man sieht, dass Deutschland jetzt mit Kroos und İlkay Gündoğan im Mittelfeld spielt, sagt man: Wow, das ist absolute Topqualität. Die Frage ist aber immer, wie auch das Zusammenspiel funktionieren wird. Aufgrund ihrer Erfahrung gehe ich davon aus, dass es funktioniert. Ich bin gespannt, in welchem System der Bundestrainer spielen wird und mit welche Rollen. Gündoğan wird wohl mehr offensiv ausgerichtet und für das Kreative verantwortlich sein. Kroos derjenige, der das Spiel aus dem ersten und zweiten Drittel heraus leitet und die Balance hält.

Dass mit Füllkrug nur ein Dortmunder nominiert wurde, ist insgesamt schon eine logische Entscheidung. Nico Schlotterbeck und Niklas Süle haben beide lange nur unregelmäßig gespielt. Schlotterbeck hat sich ein bisschen gefangen, aber speziell bei Süle sehe ich keine Weiterentwicklung, die für eine Nominierung reichen würde. Die Jungs müssen auch selbstkritisch sein, nicht immer mit dem Finger auf andere zeigen. Auch, weil sie in ihrer Leistungsentwicklung nicht vorankommen, stagniert der BVB in der Bundesliga. Sie müssen schon den Anspruch haben dort zehn, zwölf oder vierzehn Punkte mehr zu haben. Dafür sind vor allem die Spieler verantwortlich, die auch zum Kreis der Nationalelf zählen.

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Dass dagegen gleich vier Stuttgarter im Aufgebot stehen, ist eine folgerichtige Belohnung für ihre starke Saison, die sie spielen. Sie stehen genau für das, was der Nationalelf gefehlt hat: Mut, Spielfreude, schönen Fußball. Alle vier haben sich die Nominierung absolut verdient. Genau das nennt man übrigens Leistungsprinzip. Ich glaube, die Zuschauer und Fans haben genau auf dieses Zeichen gewartet. Die Kaderzusammenstellung ist insgesamt gut. Nagelsmann muss jetzt eine klare, einfache Sprache für die Jungs finden und das Puzzle zusammensetzen. Dann wird das eine interessante EM. Kicken können sie.

Die beiden Testspiele gegen Frankreich und die Niederlande haben es jetzt aber auch in sich. Sie sind der nächste große Schritt Richtung EM, bei denen die Spieler kapieren müssen, um was es geht. Das sind schon zwei der bedeutendsten Länderspiele der vergangenen Jahre. Es geht dabei darum, endlich Euphorie zu entfachen. Das, was war, ist ja auch noch im Hinterkopf der Menschen. Die Auftritte im Rahmen der USA-Reise waren noch ok. Aber so etwas wie bei den Niederlagen gegen Österreich und die Türkei können sie nicht noch mal anbieten.

Es ist gut, dass wir jetzt zwei so hochkarätige Gegner haben. An ihnen muss sich die Nationalelf jetzt direkt richtig beweisen und liefern. Auch Nagelsmann und sein Trainerteam um Sandro Wagner sind jetzt absolut gefordert und in der Pflicht. Nach den beiden Spielen werden wir viele Antworten haben.

Transparenzhinweis
  • Stefan Effenberg ist Botschafter des FC Bayern München und sagt dazu: „Ich repräsentiere den FC Bayern, insbesondere im Ausland. Mein Engagement hat keinen Einfluss auf meine Kolumnen bei t-online. Hier setze ich mich weiterhin kritisch und unabhängig mit dem Fußball auseinander — auch und insbesondere mit dem FC Bayern.“
Verwendete Quellen
  • Eigene Einschätzungen
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